Die Vendee Globe 2024, die prestigeträchtige Einhand-Nonstop-Weltumsegelregatta, ist in vollem Gange wobei die Führungsgruppe schon über die „Halbzeit“-Marke hinaus ist und bereits das letzte wichtige Kap, das Kaap Horn, erreicht hat. Am 10.11.2024 starteten in Les Sables-d’Olonne an der französischen Atlantikküste 40 Teilnehmer von denen derzeit noch 36 im Rennen sind. Die Regatta 2024 ist von Ereignissen der Superlative gepraegt.
Eine der Superlativen ist die Geschwindigkeit der diesjährigen Regatta die einen Rekord nach dem anderen aufstellt. Der derzeit in der Führungsgruppe liegende Charlie Dalin hat eine 16 Jahre alte Bestmarke für die Passage vom Kap der Guten Hoffnung zum Kap Leeuwin gebrochen. Michel Desjoyeaux, der einzige Doppelsieger der Vendée Globe, hatte im Jahr 2008 10 Tage und 7 Stunden benötigt, um die Strecke zu bewältigen. Charlie Dalin brauchte nur 9 Tage und 22 Stunden und unterbot seinen Landsmann damit um 9 Stunden. Auch Boris Herrmann sowie Sebastien Simon unterboten den alten Rekord mit 10 Tagen. Letzterer erreichte Ende November darüber hinaus einen 24-Stunden-Solorekord bei dem er 615,33 Seemeilen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,64 Knoten segelte. Den bisher imposantesten Rekord jedoch stellte sich heute am Vorweihnachtstag heraus. Yoann Richomme hat in Rekordzeit als Erster das legendäre Kap Hoorn erreicht. In den vergangenen Stunden hatte sich Richomme ein packendes Duell mit Charlie Dalin geliefert und mit nur wenigen Seemeilen Vorsprung das letzte der drei wichtigen Kaps umsegelt. Damit hat er eine neue Rekordmarke in dieser unglaublichen Regatta gesetzt, nämlich die Strecke von Les Sables-d’Olonne bis zum Kap Hoorn in 43 Tagen und 11 Stunden zu schaffen. Damit blieb er 3 Tage und 13 Stunden unter der Vendée-Globe-Bestmarke von Armel Le Cléac’h.
Das „Trio“ Charlie Dalin, Sébastien Simon und Yoann Richomme bildet schon seit geraumer Zeit die Führungsgruppe und wechselt sich regelmäßig innerhalb der Gruppe um die Positionen „eins“ „zwei“ und „drei“ ab, wobei jedoch Charlie Dalin meist in Führung lag. Den „Point Nemo“, dem Punkt auf der Welt der am weitesten von jeglichem Festland entfernt ist, passierten – wie auch das Kaap Horn – Charlie Dalin und Yoan Richomme auf Sichtweite zueinander, was an diesem Ort, der 2.688 Kilometer zum naechstgelegenen Land liegt, sicher ein gutes Gefühl ist. Selbst die Internationale Raumstation ISS liegt näher zur Erde als dieser off-shore Punkt mitten im pazifischen Ozean. Auch der „Point Nemo“ wurde wiedermal in Rekordzeit erreicht.
2016 siegte Armel Le Cléac’h die Vendèe Globe mit 74 Tagen und 3 Stunden; das diesjaehrige Fuehrungstrio jedoch, hat den Point Nemo bereits weitaus schneller passiert, als Le Cléac’h vor acht Jahren. Yoann Richomme postete unlängst „Wir drei haben uns zu einem Speed-Rennen mitten im Pazifik entschieden. Wir wollten mal sehen, wer das schnellste Boot hat. Wahnsinn.“
Eine weitere Besonderheit der diesjährigen Regatta sind die Skipper. Mit dem Franzosen Damien Seguin und dem Chinesen Jingkun Xu nehmen zwei armamputierte Skipper an dieser „Einhandregatta“ teil und mit 23 Jahren ist die Franzoesin Violett Dorange die jüngste Teilnehmerin aller Zeiten bei der Vendée Globe. Derzeit liegt sie auf Platz 25 und schlägt sich tapfer auf dem ehemaligen Boot des französischen Urgesteins Jean Le Cam, der ebenfalls dieses Jahr wieder am Rennen teilnimmt. Die Anzahl der weiblichen Skipper ist mit 6 Teilnehmerinnen im Vergleich zur letzten Regatta 2020 gleich geblieben. Bewertet man jedoch den prozentualen Anteil, so ist die weibliche Teilnahme von 18 % (2020) auf 15 % (2024) gesunken, da 2020 nur 33 Skipper an der Vendèe Globe teilnahmen.
Die italienische Beteiligung repräsentiert Giancarlo Pedote und ist damit der fünfte Italiener, der jemals an der Vendèe Globe teilgenommen haben. Mitte November lag er sogar auf Platz 1 verlor diesen Platz jedoch auch durch Probleme am Hauptsegel. In einem Video zeigt der Italiener, wie er 14 Stunden am Segel näht um ein Loch von circa 4 Metern zu schließen. Das Video zeigt einen völlig verschwitzten und übermüdeten Pedote und ein chaotisches Deck randvoll mit Werkzeugen und Flickmaterial und endet mit den Worten „…. ma, siamo sempre positivi noi !!!“ (…. aber, wir bleiben stets positiv, gell). In den letzten Tagen gab es wieder Grund am Segel Reparaturen vorzunehmen, womit der Italiener derzeit auf einem Platz 19 liegt.
Das Segel des Italieners ist jedoch eins der kleinsten Schäden, die bis jetzt insgesamt während der Regatta auftraten. An Reparaturen am Mast verletzte der Franzose Maxime Sorel sich den Knöchel so schwer, dass er bereits nach 5 Tagen aufgeben musste. Monbana Mayenne Auch das ist wiedermal ein Novum in der Geschichte dieser außergewöhnlichen Regatta. Als nächstes schied Louis Burton aus dem Rennen aus; der Drittplatzierte der vergangenen Vendée Globe hatte bereits in der zweiten Woche des Rennens Risse im Rumpf seines Imoca entdeckt, schied aber letztendlich wegen eines Schadens an der Befestigung des Vorsegels in der Höhe des Kap der Guten Hoffnung am 5.12.24 aus.
Mitte Dezember sind dann auch die Britin Pip Hare und der Ungar Szabolcs Weöres offiziell aus der Regatta ausgestiegen. Szabolcs Weöres der nach einer frühen Reparatur in der Höhe der Kanarischen Inseln ohnehin der Flotte hinterhergesegelt war, hatte zuletzt ein gebrochenes Backbord-Want entdeckt und damit eine Schwächung der seitlichen Stabilisation des oberen Mastes. Die 50-jaehrige Pip Hare informierte am 16.12. voellig am Boden zerstoert ueber einen Mastbruch und postete unendlich traurig: „Das ist das Ende unseres Vendée-Globe-Rennens im Jahr 2024“.
Auch Boris Herrmann hatte große Probleme auf hoher See, konnte die heikle Situation jedoch gerade noch retten. Wie der Hamburger Skipper mitteilte, sei seine Malizia-Seaexplorer in der Nacht zum 22.12.24 aus dem Ruder gelaufen, habe sich dabei extrem stark auf die Seite gelegt und eine „Pirouette“ gedreht, die das Boot beinahe zum kentern brachte. Es gelang dem fünfmaligen Weltumsegler jedoch, das Boot wieder so aufzurichten, dass Mast und Segel von einem Bruch verschont blieben.
Eine weitere Besonderheit der diesjährigen Regatta ist, dass die Sperrzone rund um den Südpol bereits zum fünften Mal angepasst wurde. Diese Grenze legt fest, wie weit die Skipperinnen und Skipper im Süden fahren dürfen um Kollisionen mit dem Eis im Südpolarmeer zu vermeiden.
Die Vendee Globe 2024 hat sich in den ersten 6 Wochen als eines der spannendsten und härtesten Rennen in der Geschichte der Regatta entpuppt. Mit dramatischen Wendungen, knappen Rennen und technischen Herausforderungen zeigt diese Regatta einmal mehr, warum es als ultimative Prüfung für Segler, Schiff, Crew und Equipment gilt und sie als die „Koenigin“ der Regatten betitelt wird.
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Bravo Sylvia Kreuz ! Ein super guter informativ geschriebener Bericht. Ich bin schon neugierig auf die weiteren Berichte. Gruß von Günter Weiler